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Umweltpolitik wird zur Chefsache
Stadtgestaltung

Umweltpolitik wird zur Chefsache

Interview mit Bayreuths Oberbürgermeister Thomas Ebersberger

Rund ein Jahr nach seinem Amtsantritt hat Bayreuths Oberbürgermeister Thomas Ebersberger (CSU) die Umwelt- und Klimapolitik zur Chefsache erklärt. Mit welchen Herausforderungen er in Zukunft rechnet und welche Schwerpunkte er diesbezüglich setzen will, erläutert Ebersberger (64) im Interview.


Ab sofort fällt das Umweltreferat in Ihre Zuständigkeit. Was hat Sie zu diesem Schritt im Rahmen eines geplanten größeren Umbaus der Stadtverwaltung bewogen?
Umweltpolitik war mir schon immer wichtig. Das hat begonnen in meiner Studentenzeit, als ich mich sehr für die Forderungen und Denkanstöße des Club of Rome interessiert hatte. Ich bin auch seit vielen Jahren Mitglied mehrerer Umweltverbände. Von daher war es mir sehr wichtig, mich dieses Themas jetzt auch persönlich anzunehmen. Auch, um die Umweltpolitik mit einer möglichst sozialverträglichen Wirtschaftspolitik in Einklang zu bringen. Nur so kann man Veränderung bewirken.


Umwelt- und Klimapolitik werden in den nächsten Jahrzehnten sicherlich die Herausforderung schlechthin – nicht nur für Bund und Land, sondern auch und gerade für die Städte und Gemeinden. Ohne die Kommunen wird man das Ziel, den Anstieg der Erderwärmung zu bremsen, nicht erreichen können. Wo sehen Sie für die Stadt Bayreuth die größten Herausforderungen beim Thema Umwelt- und Klimapolitik?
Zunächst gilt es festzuhalten, dass in dieser Situation jeder Einzelne gefordert ist. Wer umweltfreundlich lebt, sorgt auch dafür, dass der klimapolitische Fußabdruck möglichst klein gehalten wird. Natürlich esse ich auch gerne mal Bratwürste oder fahre gerne Auto – aber wir sind schon auch aufgerufen, für einen gewissen Ausgleich zu sorgen. Sei’s, dass man zu Hause die Wiese wachsen lässt oder Bäume pflanzt. Dass man das Auto auch mal stehen lässt und das Fahrrad benutzt. Oder auch regional und saisonal einkauft. Wenn wir alle das machten, würde das extrem viel helfen.


Da stecken also durchaus Chancen drin bei einem verantwortlichen Verhalten – für regionale Gärtnereien, Bauernhöfe, Metzger, für uns alle?
Na klar, lokaler Einkauf hilft auf vielerlei Weise. Die Produkte haben kurze Wege, die Produzenten aus der Region ein gutes Auskommen und wenn wir saisonal einkaufen, spart uns das Geld und garantiert Frische. Aus diesen Gründen gehe ich fast jeden Samstag zum Wochenmarkt, um mich mit regionalen Produkten zu versorgen.


Sie haben in der Verwaltung personell und konzeptionell schon wichtige Weichenstellungen vorgenommen: Zwei Klimamanagerinnen und ein Beauftragter für Nahmobilität wurden ernannt, ein Klimabeirat aufgestellt. Dafür brauchen Sie auch Mehrheiten im Stadtrat. Wie schwierig ist das – oder anders gefragt: Wie groß ist die Unterstützung des Stadtrats bei der Jahrhundertaufgabe Klimaschutz?
Umweltpolitik hat quer durch alle Parteien eine große Bedeutung. Und sie wird durch die Ansiedlung beim Oberbürgermeister noch mehr Gewicht bekommen. Das Problem ist nur, dass man sich dann auch über die Konsequenzen einig werden muss. Und darüber, dass alles, was wir beschließen, auch Mittel braucht. Umweltpolitik ist sehr wichtig. Aber das gilt auch für die Wirtschaft.

„Wer umweltfreundlich lebt, sorgt auch dafür, dass der klimapolitische Fußabdruck möglichst klein gehalten wird.“

Oberbürgermeister Thomas Ebersberger

Das Thema Klimaschutz und Umweltpolitik findet nicht nur in den Gremien statt, es wird den Kommunen aus der Mitte der Bürgerschaft heraus förmlich aufgedrängt. In Bayreuth planen viele jüngere Menschen, denen es nicht schnell genug geht, einen Klimaentscheid. Zudem hat sich mit dem Forum 1.5 eine unabhängige, eng mit der Universität Bayreuth verwobene Plattform etabliert, die sich für eine klimagerechte Zukunft und enge Zusammenarbeit mit der Stadt einsetzt. Begrüßen Sie solche außerparlamentarischen Initiativen, die darauf drängen, sich mit der Kommunalpolitik zu vernetzen?
Sicher ist, dass z. B. viele Anregungen des Radentscheids richtig und wichtig waren. Richtig ist auch, dass das Forum 1.5 wertvolle Anregungen gibt, was man auf kommunaler Ebene umsetzen kann. Bei dem anstehenden Klimaentscheid muss ich allerdings sagen, dass eine Umsetzung des bisher bekannten Konzeptes in der jetzigen Form schlicht nicht machbar sein dürfte. Die Initiatoren selbst prognostizieren ja, dass es eine Verdoppelung der Mitarbeiter bräuchte und zusätzliche jährliche Investitionen von 35 bis 40 Millionen Euro. Das sind unvorstellbare Summen, wenn man sich vorstellt, dass alleine das Personal uns 80 Millionen Euro kosten würde. Ich kann solche Summen ja herbeizaubern! Und wenn ich mir vorstelle, dass nach meiner Amtszeit womöglich alleine für dringend notwendige Investitionen in den Schulbau rund 100 Millionen Euro zusätzlicher Verbindlichkeiten zu Buche stehen könnten, dann bedeutet nur das, bezogen auf eine 20-jährige Abschreibung, Jahr für Jahr fünf Millionen nicht Euro zusätzlicher Belastungen im Verwaltungshaushalt. Gleichzeitig sinken die Einnahmen der Stadt. Vor diesem Hintergrund kann man nicht endlos Geld für sicherlich sinnvolle Zukunftsausgaben aufwenden. Das ist schlicht nicht machbar.


Ein wichtiger Faktor ist der Verkehr. Bayreuth hat sich, verstärkt durch den Radentscheid, das Ziel einer fahrrad-freundlichen Stadt gesetzt. Wie kriegt man das hin – nur gegen die Autofahrer? Oder über Anreizsysteme?
Man sollte, wenn man Veränderung will, immer bei den Menschen anfangen. Und alles tun, um sie zu überzeugen und mitzunehmen. Gegen die Menschen kann Politik nicht funktionieren. Gerade in einer Region wie Oberfranken, die um die Städte herum stark ländlich strukturiert ist. Wenn Arbeitnehmer aus dem Fichtelgebirge oder aus der Fränkischen Schweiz nach Bayreuth zur Arbeit fahren, dann werden sie nicht die letzten Kilometer das Auto stehen lassen, nur weil irgendjemand das sagt.


Wie sieht eine vernünftige Verkehrspolitik in einer Stadt wie Bayreuth aus?
Zunächst gehe ich davon aus, dass wir, ausgehend von einer guten Versorgung des öffentlichen Personennahverkehrs, auf lange Sicht weniger Individualverkehr haben werden. Zumal immer mehr jüngere Menschen auf das Auto verzichten. Zudem kann der Bund steuerliche Anreize schaffen, z. B. für Fahrgemeinschaften. Die Stadt selbst kann parallel die Radinfrastruktur ausbauen und genügend Abstellplätze bauen. Das bringt uns sicherlich voran. Während wir also beim Verkehr positive Tendenzen spüren, sehe ich beim Thema Flächennutzung ungeahnte Gefahren, weil immer mehr Ackerbauflächen zu verlockenden Konditionen mit Photovoltaikanlagen bestückt werden. Was dazu führt, dass Ackerland rar wird und wieder mehr Lebensmittel aus aller Welt eingeführt werden müssen. Will sagen: Wir müssen globaler denken. So gesehen gehört es zu unserer Aufgabe als Kommune, nicht nur auf unser Gebiet zu schauen, sondern auch zu versuchen, dass andernorts die Schäden für die Umwelt reduziert werden.

Die grüne Lunge der Stadt

Der Süden Bayreuths entwickelt sich zunehmend zur grünen Lunge der Stadt. Zusätzlich zu den bestehenden Bereichen Lindenhof, Ökologisch-Botanischer Garten, Röhrensee und Studentenwald will die Stadt in den kommenden Jahren weitere Natur-Erlebnis-Räume schaffen. Der „Weg der Artenviefalt“ war ein erster Schritt zur weiteren Aufwertung dieses Areals, weitere sollen folgen: Dazu sollen unter anderem historische Teiche wieder angelegt werden, es entstehen Streuobstwiesen und ein Bürgerwaldprojekt.

Auch das Themenfeld Wohnen und Wohnungsbau kann man nicht losgelöst sehen von ökologischen Fragen. Die Stadt braucht zusätzlichen Wohnraum, zusätzlicher Wohnraum verschlingt Fläche – ein Teufelskreis?
Noch ein schönes Beispiel. Es nützt in der Gesamtbilanz nichts, wenn wir in Bayreuth beispielsweise keine Wohngebiete für Einfamilienhäuser mehr ausweisen, aber in der Folge 20, 30 Kilometer um Bayreuth herum Speckgürtel entstehen, die gewaltige Folgen haben für die Umweltbilanz. Weil dort größere Grundstücke ausgewiesen werden, die Familien meist zwei Autos benötigen und viel mehr fahren müssen. Das bringt uns nicht weiter.


Fakt ist, dass der Flächenvorrat der Stadt Bayreuth begrenzt ist. Was also tun?
Wir werden im Stadtgebiet nachverdichten und auch in die Höhe bauen. Zum Beispiel im Bereich des Postareals, auf dem Zapf-Gelände und der Röhrenseekaserne. Das schafft Wohnraum, verursacht kaum zusätzliche Bodenversiegelungen und verkürzt die Wege. Wobei wir an anderer Stelle Flächen für Gewerbetreibende brauchen. Unterm Strich gilt: Alles, was in Bayreuth gebaut wird, sollte möglichst umweltfreundlich sein. Durch die Auswahl der Baustoffe, Begrünung der Dächer, energiesparende Fassaden, durch den Einsatz regenerativer Energien. Dahin müssen wir kommen.


Können Sie sich vorstellen, dass die Stadt in absehbarer Zeit bei der Ausweisung neuer Wohngebiete verpflichtend vorschreiben könnte, dass Solaranlagen, Erdwärme oder andere erneuerbare Energien einzusetzen sind? Und: Wäre dazu – nach der Bayreuther Wohnbaustrategie – eine Bayreuther Baulandstrategie sinnvoll?
Da ist sehr vieles denkbar und vieles schon in der Pipeline. Bei allen Maßnahmen müssen wir anstreben, dass wir Lebensraum für Tiere erhalten, genügend Blühflächen haben und immer auch ans Klima denken (und an Kaltluftschneisen). Und weniger Gift ausbringen in den Gärten. Bei alledem tun wir uns als Stadt natürlich leichter, wenn wir es sind, die Bauland verkaufen. Weil wir dann gewisse Dinge – beispielsweise bezüglich der energetischen Versorgung oder bei Zulassung von Holzhäusern – auch direkt in den Notarverträgen vorgeben können.


Bayreuth ist eine grüne Stadt: viele Parks, viele Grünfläche, aufwendiger Blumenschmuck. Nun setzen Sie weitere Akzente, vor allem im Süden. Da entsteht zwischen Universität und Röhrensee unter anderem ein Weg der Artenvielfalt. Und es sind ja noch weitere Dinge in Planung – welche denn?
Die Tatsache, dass man in und um Bayreuth viele Möglichkeiten hat, die Natur zu genießen, wertet die Stadt ungemein auf. Der Bayreuther Süden mit dem Ökologisch-Botanischen Garten, in dem mehr als 100 Vogelarten brüten, dem Lindenhof oder dem Röhrensee spielt eine wichtige Rolle. Das soll es aber noch nicht gewesen sein. Wir wollen all das besser verzahnen und durch das Projekt „Bayreuths lebendiger Süden“ weiter aufwerten. Der Weg der Artenvielfalt ist bereits angelegt, dazu soll ein Bürgerhain entstehen mit der Möglichkeit, dass Bürger dort selbst Bäume pflanzen können. Und wir wollen historische Weiher wiederherstellen.

Information

Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat für das Projekt „Bayreuths lebendiger Süden“ 2,52 Millionen Euro aus dem Bundesprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ freigegeben. Mit dem Programm werden Projekte mit hoher Wirksamkeit für Klimaschutz (CO2-Minderung) und Klimaanpassung gefördert. Die Gesamtkosten des Bayreuther Projekts belaufen sich auf rund 2,8 Millionen Euro.