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Potenzial für weiteres Wachstum
Stadtgestaltung

Potenzial für weiteres Wachstum

Interview mit Bayreuths Oberbürgermeister Thomas Ebersberger zum Thema Wohnen in der Stadt

Bayreuth hat aktuell rund 75.000 Einwohner. Will die Stadt wachsen, braucht es vor allem einen Zuwachs an Wohnraum und Flächen für die Ansiedlung von Unternehmen und Betrieben. Aber wie soll man den in schwierigen Zeiten schaffen, wenn die Zinsen hoch und Flächen für Ein- und Mehrfamilienhäuser sowie Gewerbegebiete begrenzt sind?  Gert Dieter Meier sprach mit Bayreuths Oberbürgermeister
Thomas Ebersberger über die Herausforderungen einer Stadt, die gerne weiterwachsen will. 

Herr Oberbürgermeister, wie angespannt ist der Wohnungsmarkt in Bayreuth? 

Die Situation ist in der Tat angespannt. Wir brauchen dringend viele und hochwertige Wohnungen. Wir haben deshalb in den zurückliegenden drei Jahren Wege geschaffen, dass über 2.000 Wohnungen im Stadtgebiet gebaut werden könnten. Wir sind also beim Thema Wohnungsbau schon relativ weit. Wir müssen jetzt freilich abwarten, ob die Bauherren angesichts der derzeitigen Zins- und Baupreisentwicklung auch tatsächlich bauen.  

Was fehlt denn aus Ihrer Sicht: Wohnungen, Häuser? Wo gibt es die größte Nachfrage? 

Leider beides. Wir brauchen auf der einen Seite Wohnungen, die man sich auch als Familie leisten kann. Aber wir spüren auch eine starke Nachfrage nach Einfamilienhäusern. Wenn etwa jüngere Menschen nach dem Studium an der Universität eine Familie gründen wollen und ihr weiteres (Berufs-)Leben in Bayreuth planen – was wir ja wollen –, dann müssen wir denen auch bezahlbare Angebote machen können. 

Stichwort sozialer Wohnungsbau: Da hat die Stadt ja durch die Einführung der Bayreuther Wohnraumstrategie etwas Positives geschaffen, weil nun bei allen größeren Vorhaben immer 20 Prozent der Wohnungen auf den sozialen Wohnungsbau entfallen müssen … 

Das ist korrekt – und das Programm zeigt auch Wirkung. Wir wollen aber immer auch dafür sorgen, dass es zu einem gesunden Mix kommt, dass auch ein gutes Mit­einander ermöglicht wird. 

Sie haben gerade gesagt, dass an die 2.000 Wohnungen entstehen können. Wo sollen die denn alle hin? 

Im Bereich Kreuzstein sollen auf dem früheren Zapf-Areal gut 700 Wohnungen entstehen, mit deren Bau man bald beginnen könnte. Im Bereich der Ludwig-Thoma-Straße könnten durch BayernHeim etwa 350 gebaut werden; auch am Röhrensee kann gegenüber den schon errichteten Häusern weiter gebaut werden – da ist Platz für rund 100 weitere Wohnungen. Zudem sind die Baugenehmigungen auf dem ehemaligen Wedlich-Gelände erteilt, sodass man dort in den nächsten Wochen loslegen könnte. Da sollen gut 250 Wohnungen entstehen. An der Scheffelstraße soll ein Projekt mit gut 180 Wohnungen realisiert werden, auf dem Postgelände ca. 250. Zudem dürfte in diesem Jahr das Großprojekt Hugo 49 abgeschlossen sein. Und mit Projekten wie in der Unteren Rotmainaue mit rund 100 Wohnungen und anderen Vorhaben mehr sind aktuell doch sehr viele Projekte kurz vor dem Start oder schon mittendrin – immer unter der Voraussetzung, dass die Bauherren auch bereit sind, jetzt zu investieren. 

Sie sprechen immer wieder die Entwicklung der Bau­preise an ... 

… und das aus gutem Grund. Schließlich sind die Bau­preise in den letzten Jahren um etwa 45 Prozent gestiegen. Dazu kommen die erheblichen Verteuerungen der Kredite, was unterm Strich für eine junge Familie, die gerne bauen und rund 400.000 Euro für Wohnungseigentum aufnehmen will, eine Mehrbelastung von rund 1.000 Euro monatlich über etwa 30 Jahre hinweg ausmacht. Und das ist bei gleichzeitig steigenden Baupreisen für viele Familien einfach zu viel. 

Sie sagten es ja: Es fehlt auch Platz für den Bau von Ein­familienhäusern. Ist der Eichelberg auf absehbare Zeit das letzte Neubaugebiet in Bayreuth? 

Nein, wir haben schon noch Flächen, die nach und nach entwickelt werden sollen. Aber das braucht seine Zeit, wie man am Thema Eichelberg sieht. Da ist das geplante Wohngebiet nach gut sieben Jahren, acht Gutachten und vielen, vielen Diskussionen auf der Zielgeraden. Davon gehe ich zumindest aus, nachdem nun auch die letzten Petitionen dagegen abgewiesen wurden. Es folgen Projekte in Oberkonnersreuth an der Hohlmühlleite. Und dann haben wir noch einige weitere Grundstücke, die man dann erschließen könnte – etwa hinter Wolfsbach.  

Schmerzt es Sie als Oberbürgermeister eigentlich, wenn der sogenannte Speckgürtel rund um die Stadt stetig wächst und gedeiht, weil immer mehr Menschen aufs Land ziehen, aber natürlich von der städtischen Infrastruktur profitieren? 

Das mag ein gewisser Trend sein, übrigens nicht nur in Bayreuth. Der ist aber aus meiner Sicht alles andere als gut. Mit Blick auf die weitere Entwicklung auch beim Thema Klimawandel muss es unser aller Anliegen sein, möglichst kurze Wege zwischen Wohnumfeld und Arbeitsplatz zu ermöglichen. Wir müssen zudem den öffentlichen Nahverkehr ausbauen und Räume effektiv zu nutzen. Da bringt es uns wenig, wenn jungen Familien im Umkreis von 15 bis 30 Kilometern große Grundstücke angeboten werden, sie dann aber ein Zweit- oder gar ein Drittauto brauchen, um zur Arbeit zu kommen, die Kinder in die Schule zu fahren etc. Und wenn sich dann der Landkreis nur in sehr eingeschränktem Rahmen an den realen Schulkosten und Kosten für die allgemeine Infrastruktur beteiligt, sodass die Stadt fast überall in Vorleistung treten muss, ist das ungerecht. Wer Leistungen in Anspruch nehmen will, muss sich nach meiner Meinung auch an den Kosten beteiligen. Was derzeit leider nicht der Fall ist, weil die Last der Kosten zu einseitig aufseiten der Stadt liegt. 

Indirekt sagen Sie mit dem Hinweis auf die Knappheit der vorhandenen Flächen ja auch, dass die Stadt aus der Not eine Tugend machen und das Prinzip Verdichtung in der Innenstadt weiter voranbringen sollte ... 

Durchaus, wobei wir natürlich nicht Pocketparks zubauen, jede Grünfläche schleifen oder den Baumbestand reduzieren oder ganz Bayreuth versiegeln wollen. Das meinen wir definitiv nicht, wenn wir von sinnvoller Nachverdichtung sprechen. Sondern vielmehr die Ausnutzung von vorhandenen (Leerstands-)Flächen oder die Erhöhung von vorhandenen Bauten. Da gilt es in jedem Einzelfall sehr genau abzuwägen zwischen den Klima­herausforderungen und den Bauwünschen. 

Insofern wäre ja ein viel diskutiertes Projekt wie das Hochhaus im geplanten urbanen Gebiet Post durchaus im Interesse einer modernen Stadtentwicklung gewesen? 

Durchaus, wobei das Hochhaus ja aus verschiedenen Gründen – und dabei vor allem wegen der Kosten – nicht mehr weiterverfolgt wird, weil der Bau eines Hochhauses deutlich teurer ist als die herkömmliche Bauweise. Aber bei einer sechs- bis achtstöckigen Bauweise können dort gleich neben dem Hauptbahnhof deutlich über 200 bis 250 Wohnungen entstehen. Ich würde mir wünschen, dass das Verfahren noch vor der Sommerpause in die nächste Phase geht. Der Investor jedenfalls will gerne investieren, aber er will es bald tun. 

Wenn wir das bis dahin mal bilanzieren, dann könnten Sie sich doch beim Thema Wohnungsbau zufrieden zurücklehnen und die Arme in den Schoß legen, nachdem Sie im Wahlkampf mit der Aussage angetreten sind, 1.000 Wohnungen in Bayreuth zu schaffen … 

Zufrieden zurücklehnen werde ich mich erst, wenn die Wohnungen auch wirklich stehen und bezogen sind. Aber im Ernst: Wir haben sicherlich die Rahmenbedingungen für zusätzliches Wohnen geschaffen. Aber bei der Umsetzung ist es in Deutschland leider so, dass die Dinge sich elendig lang ziehen. 

An wem liegt das denn – an der Stadt oder an den Investoren? 

Weder noch, es liegt an der Bürokratie. Bei jedem größeren Vorhaben sind sehr ausführliche und zeitraubende Abklärungsmaßnahmen erforderlich. Jedes Verfahren wird drei bis sechs Mal in Ausschüssen behandelt, weil es das Bundesbaugesetz so vorsieht. Wir müssen uns dem unterziehen, um nicht angreifbar zu sein. 

Wie groß ist denn eigentlich das Interesse von Neubürgern, nach Bayreuth zu ziehen? Ist Bayreuth eine wachsende Stadt? 

Momentan stagniert der Anstieg der Einwohnerzahl etwas – aber vor allem deshalb, weil nicht ausreichend Wohnraum vorhanden ist. Ich bin überzeugt, dass wir in Bayreuth das Potenzial haben, noch um einige Tausend Einwohner zu wachsen. Es vergeht keine Woche, in der sich nicht mehrere Menschen bei mir darüber beschweren, dass sie in Bayreuth keine adäquate Wohnung finden. Es gilt also, Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen. 

 Ein wichtiges Kriterium für eine wachsende Stadt ist neben dem Wohnraum auch die Bereitstellung von Kita- und Hortplätzen und eine gute Schul-Infrastruktur. Hand aufs Herz: Wie groß sind da die Baustellen in Bayreuth? 

Wir brauchen bei den Kitas und Kindergärten sicherlich noch eine ganze Reihe zusätzlicher Plätze. Aber da treibt uns aktuell noch ein ganz anderes Problem um: Mindestens zwei große Betreiber haben uns nämlich signalisiert, dass sie bestehende Gruppen nicht weiter betreiben können, weil sie kein Personal mehr bekommen. Also selbst wenn wir jetzt weitere Plätze schaffen würden, bliebe doch immer noch das riesige Problem, dass wir kein Personal mehr hätten, um die Einrichtungen zu betreiben. Wenn aber die Träger die Pflegeschlüssel nicht mehr einhalten können, bekommen sie keine Mittel mehr. Und wenn die vorhandenen Kräfte dann immer stärker beansprucht werden, dann kann es sein, dass sie die Arbeitsstelle verlassen. Insofern müssen wir alle mit aller Macht dafür kämpfen, dass mehr Menschen in diese so wichtigen Bereiche wechseln.  

Und wenn man dann noch weiß, dass es ab 2026 einen Anspruch gibt, dass Kinder auch in der Grundschule nachmittags und zum Teil in den Ferien betreut werden, dann sieht man das ganze Problem. Das können die Kommunen – da sind sich alle Oberbürgermeister einig – nicht schaffen, auch wenn es im Gesetz steht. Ein ähnliches Problem haben wir an den Schulen. Wir haben beispielsweise an einem Gymnasium 35 Lehrkräfte, die in Teilzeit arbeiten. Das ist das gute Recht jedes Einzelnen, stellt die Schulen in Summe aber vor gewaltige Probleme. Weil wir mehr Köpfe brauchen, um die gleichen Stunden wie früher abzudecken. Und das wird immer schwerer.  

Zurück zum Thema Bauen. Da gibt es ja auch noch die Herausforderung Klimawandel. Die Stadt gibt ja bei größeren Neubauvorhaben grünes Licht nur dann, wenn auch eine Reihe ökologischer Vorhaben erfüllt werden – als da wären Dachbegrünung, Wiedernutzung von Wasser, Photovoltaik auf den Dächern, Geothermie, ggf. Umsetzung alternativer Verkehrskonzepte. Wie schwierig ist das im Umgang mit Investoren? 

Bei Neubauten funktioniert das gut. Weil alle ein Interesse daran haben, dass Nebenkosten gering ausfallen. Und das ist bei der Nutzung regenerativer Energieformen der Fall. Wo wir riesige Herausforderungen sehen, ist im Bereich bestehender Altbauten. Weil dort viele Dinge schlichtweg nicht umzusetzen sind, auch wenn die Bundesregierung das mitunter anders sieht. Man kriegt eben nicht Wärmepumpen in jeden Altbau – zumindest nicht zu bezahlbaren Bedingungen. 

Die Bundesregierung hat kürzlich angeordnet, dass alle Kommunen bis 2028 eine verlässliche Wärmeplanung vorlegen müssen. Wie sehen Sie das? 

Da sind wir schon relativ weit. Da haben wir mit den Stadtwerken die ersten Schritte schon gemacht.  

Welches Potenzial hat denn die Fernwärme in Bayreuth – können Sie das schon in Zahlen fassen? 

Aktuell noch nicht. Fakt aber ist, dass die Fernwärme eine wichtige Rolle auch in der Entwicklung der Stadt spielen wird. Wir müssen dann prüfen, wie viele kleinere und dezentrale Einrichtungen wir wo errichten müssen. Fernwärme macht besonders viel Sinn dort, wo es neue Wohngebiete gibt oder ganze Industrie- oder Gewerbegebiete angebunden werden können. Dann kann man auch umliegende Bereiche gleich mit anbinden. 

Wäre das also zum Beispiel ein Thema für das neue Gebiet Am Kreuzstein? 

Da gibt es Pläne, das gesamte Areal über Geothermie, also Erdwärme zu versorgen. Da brauchen wir dann keine Fernwärme. 

Wer genau muss denn jetzt das Fernwärmekonzept erstellen – die Stadt oder die Stadtwerke? 

Nachdem die Stadtwerke ja zu 100 Prozent der Stadt gehören, möchte ich sie dafür gewinnen, wobei eines auch klar ist: Diese Aufgabe wird der Stadt erhebliche Kosten bescheren. Das sollte man bei aller Euphorie nicht vergessen.  

Zum Abschluss noch eine Frage zur städtischen Wohnungsbau- und Wohnungsfürsorgegesellschaft (GEWOG).  Die ist ja in erheblichem Umfang gefordert, ihren Wohnungsaltbestand den neuen Anforderungen an die Vorgaben zur Erreichung der Klimaziele anzupassen.  

Eine erste grobe Berechnung, was es kostet, den Altbestand energetisch so auf Vordermann zu bringen, dass er neuesten Anforderungen standhalten würde, hat ergeben, dass man bei rund 4.000 vorhandenen Wohnungen im Bestand allein bei der GEWOG rund 750 Millionen Euro aufbringen müsste. Allein diese astronomischen Zahlen zeigen, wie groß aktuell die Probleme in bald jedem (Bau-)Bereich sind.