Die aufstrebenden Sterne der Gaming-Gründerszene an der Uni Bayreuth
Spiele sind weltweit ein Milliardengeschäft. Nicht umsonst hat die Bundesregierung die Games-Industrie zu einer der Schlüsselindustrien des 21. Jahrhunderts erklärt. Rund um die Universität Bayreuth hat sich in den letzten Jahren eine erfolgreiche kleine Gründerszene entwickelt. Unabhängig von den großen Studios sind diese Pioniere der Beweis, dass Bayreuth ein großes Potenzial für die Gaming-Industrie bietet.
Den Stein ins Rollen gebracht hat Professor Jochen Koubek, der als Topexperte für Computerspiele 2009 nach Bayreuth berufen wurde. Seit 2011 bietet die Universität unter seiner Leitung ein Bachelorstudium „Medienwissenschaft und Medienpraxis“ an. Der Bachelorstudiengang dient der Orientierung und umfasst neben Computerspielen auch die Medien Fotografie, Film, Fernsehen und Audio. 2015 kam die Spezialisierung „Computerspielwissenschaften“ als Master-Studiengang hinzu.
Die Universität bietet optimale Voraussetzungen, was die technische Ausstattung angeht, darunter ein interaktives Labor, ein Fernsehstudio, ein Tonstudio und nicht zuletzt das Institut für Entrepreneurship und Innovation der Universität Bayreuth. Unterstützt durch die Lehr- und Forschungsinfrastruktur und das Beratungsangebot der Universität Bayreuth gelingt manchen Studenten der Sprung in die Selbstständigkeit. „Wir haben aus unseren Studiengängen inzwischen über ein Dutzend Ausgründungen, von denen einige auch erfreulicherweise in Bayreuth bleiben wollen“, erzählt Prof. Jochen Koubek. „Der Games-Standort Bayreuth wächst also kontinuierlich.“
Auch die Grundidee des Spiels Fireside entstand bei einem Game Jam. Inzwischen ist Emergo Entertainment mit vier Mitarbeitenden das größte Bayreuther Spiele-Studio.
Standortvorteil Bayreuth
Es lohnt sich, die aufstrebenden Bayreuther Start-ups im Auge zu behalten, die das Fundament für eine wachsende heimische Gaming-Industrie legen. Die guten Standortbedingungen in Bayreuth fördern den Trend. Paul Redetzky, Co-Founder der Emergo Entertainment, schätzt zum Beispiel die entspannte, grüne Atmosphäre in Bayreuth, fernab des Großstadttrubels, die den kreativen Prozess fördert. Auch die Mieten sind deutlich günstiger als in größeren Metropolen. Und vor allem erleichtert die Nähe zur Universität den Werdegang für die jungen Studios.
Regionale und überregionale Vernetzung
Ein gut vernetztes und engagiertes Umfeld bildet den Humus für das Wachstum der Gaming-Szene. „Das Games Innovation Lab der Uni Bayreuth unterstützt uns als Netzwerk-Anker“, sagt Paul Redetzky. Er setzt auf lokale Netzwerke und engagiert sich darin auch aktiv. „Jedes Projekt ist eine Chance, sich zu beweisen, und gleichzeitig die effektivste Möglichkeit, Menschen im Gedächtnis zu bleiben.“
Über eine Online-Community verabreden sich die lokalen Games-Entwickler auch regelmäßig zu Stammtischen. Dann fachsimpelt man bei einem Glas Bier gerne über eigene Projekte oder Trends.
Im Herbst 2023 ist aus einer Initiative von Emergo Entertainment gemeinsam mit dem Studio NightinGames ein überregionales „Game Camp“ im Bayreuther Zentrum geplant. Auch hier geht es hauptsächlich um Vernetzung der Teilnehmer. Auf diese Weise entsteht vielleicht in Bayreuth rund um die Uni ein neuer Hotspot für die Spieleindustrie, der sich nachhaltig entwickelt.
Überleben ist kein Spiel
„Der Spielemarkt ist hart umkämpft“, erklärt Paul Redetzky. „Jeden Tag gehen über 30 neue Spiele an den Start.“ Steam heißt die Online-Plattform, auf der jeder sein Spiel veröffentlichen kann. Doch die meisten Projekte scheitern an der Finanzierung. „Spieleentwicklung ist multimedial. Das reicht vom Konzept über Grafik, Text, Sound und Musik bis hin zur Programmierung. Das alles geht schon ins Geld. Aber richtig teuer wird es, wenn es um Vertrieb und Marketing geht. Es gilt, das Spiel sichtbar zu machen. Das schafft man meist nicht ohne einen Publisher.“ Auch Emergo war sechs Monate auf der Suche, bis ein Publisher für ihr Spiel Fireside gefunden war. In der Prototypenphase half eine Förderung des FilmFernsehFonds (FFF) mit einem bedingt rückzahlbaren Darlehen, das erst dann fällig wird, wenn das Spiel Erträge abwirft. Eine zusätzliche Förderung erhielt man vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Als weiteres Standbein und Möglichkeit der Finanzierung hat Emergo Entertainment die Entwicklung von Spielen und 3D-Anwendungen für den Mittelstand entdeckt. „Videospiele sind nicht nur ein Unterhaltungsmedium, sondern ein zentrales Kommunikationswerkzeug des 21. Jahrhunderts“, sagt Paul Redetzky. Sein Ziel ist, Emergo als führende Agentur im Bereich der interaktiven Visualisierung zu etablieren. Besonders stolz ist er auf die Konzeption eines Spiels für den Bosch-Stand auf der IAA Transportation 2022. Ziel war, ein intelligentes Wartungssystem erlebbar zu machen, das aus Echtzeitdaten der Antriebsstränge mögliche Probleme antizipiert und so hilft, Schäden zu vermeiden. Statt einer Broschüre oder eines Werbefilms entschied man sich für eine interaktive Applikation, die Messebesucher anlocken und unterhalten sollte.
Im Rahmen der Bayreuther Game Jams erstellen Studierende innerhalb weniger Tage zu einem vorgegebenen Thema beeindruckende Prototypen.
Bei Sky Mates kann jeder Captain selbst entscheiden, welche der fünf möglichen Spielcharaktere im Kampf um das Luftschiff mit dabei sind.
Schlacht in den Wolken
Sky Mates ist ein bisschen wie Schach. Nur völlig anders. Wie beim Schach stehen sich zwei Kontrahenten gegenüber. Doch das Schachbrettmuster ist trügerisch. Es ist voller Löcher, die noch dazu ihre Position immer wieder ändern, denn eigentlich befinden wir uns auf einem zerbröckelnden Steampunk-Luftschiff. Jede Seite hat einen Captain, der einen exzentrischen Schlagtrupp führt. Der eine kann sich sehr schnell bewegen, ein anderer schießt sehr weit, wieder andere halten viel Schaden aus oder können heilen. Besonders nützlich ist es, einen „Mechanic“ im Team zu haben, der die Bodenlöcher flickt. Pro Spielzug können zwei Aktionen ausgeführt werden, die helfen, die Truppe dem Ziel näherzubringen, nämlich dem Maschinenkern in der Mitte des Spielfelds. Es geht also darum, die Aktionen strategisch möglichst geschickt einzusetzen, um sich einen Vorteil gegenüber der anderen Seite zu erarbeiten und vor allem dabei den „Captain“ nicht zu verlieren.
Das Duell, das in mehreren Runden gespielt wird, erfordert taktische Finesse und strategische Voraussicht. Dabei werden die raffinierten Kämpfe nie langweilig. Nicht umsonst wurde das Spiel zum Gewinner in der Kategorie Prototypen für Spieler über 19 Jahre beim GamesPreis 2023 gekürt. In der Jurybegründung heißt es: „Ein gutes Strategiespiel kann man über Jahre hinweg immer wieder spielen. Einen Evergreen zu entwickeln, ist aber sehr schwer.“ Dies sei hier gelungen.
Anfangs hieß das Spiel noch Skyrats und die Entwickler nannten sich Knödelnasen Games – ein nicht ganz ernst gemeinter Name der Geschwister Ralph und Katja Mönius. Er ist selbst passionierter Schachspieler und hatte die Spielidee und sie die Programmierkenntnisse. Inzwischen sind die Ambitionen der beiden gewachsen und damit auch das Team. Beim Recruiting ist die Uni-Nähe ein Vorteil. Die Zukunft von Sky Mates soll durch die Gründung eines eigenen Spielestudios unter dem Namen Explosive Pixel Entertainment gesichert werden. Um das Spiel tatsächlich auf den Markt zu bringen, steht allerdings noch jede Menge Arbeit an. Das Design muss noch aufgehübscht werden. Es gilt Spielelemente einzubauen, die Nutzer motivieren, langfristig weiterzuspielen, und vor allem braucht man noch ein Monetarisierungsmodell. Ein erster Schritt war der Aufbau einer eigenen Serverstruktur, sodass das Spiel jetzt jederzeit online spielbar ist. Eine erste „Weltmeisterschaft“ hat bereits an der Uni Bayreuth stattgefunden – mit acht hochmotivierten Turniergegnern unter medialer Begleitung durch das Campus TV und mit jeder Menge Spaß.
Herrscher der Wälder und magischer Kerker
Geboren aus der Leidenschaft von Studierenden der Medien- und Computerspielwissenschaften der Universität Bayreuth gründeten sich die Sleeprunner Studios im Februar 2022. Die Entwickler-Truppe machte sich schon während ihres Studiums einen Namen in der Szene. So entstand der Prototyp „Last Frog Standing“ innerhalb von sieben Tagen und wurde zum Gewinner des von Games Bavaria ausgerichteten Champion Game Jam gekrönt. Bei diesem 3D Jump-and-Run-Spiel wetteifern die Spieler darum, sich als unbestrittener Herrscher des Waldes durchzusetzen. Die Spielumgebung ist gleichermaßen visuell beeindruckend wie bedrohlich.
Die Fähigkeit des Teams, einzigartige und atmosphärische Spiele zu erschaffen, wurde vom FilmFernsehFonds (FFF) im Juni 2022 anerkannt. Durch die Förderung in Höhe von 100.000 Euro konnte das junge Studio-Team sein erstes kommerzielles Spiel in Angriff nehmen. „Downfall Hearts“ folgt der Heldin Joan auf ihrer Flucht aus einem magischen Kerker und bringt dabei eine Menge Herausforderungen mit sich. Im Falle einer Niederlage im Kampf muss der Spieler wieder zurück zur Ausgangsposition und den Ausbruchsversuch erneut starten. Dieses Spielprinzip nennt man Roguelite – eine Hommage an das
erste Spiel, das so programmiert war. Der Zusatz -lite heißt, dass man trotz des Neustarts eine übergreifende Progression hat.
Mit der anstehenden kommerziellen Veröffentlichung dieses ersten Projektes sehen die jungen Entwickler einer aufregenden Zukunft entgegen. „Die Fördermöglichkeiten in Deutschland sind essenziell für junge Unternehmen wie unseres“, erklärt Sebastian Kuehn, CEO und Co-Founder der Sleeprunner Studios.
KH
„Trail of Toads“ ist der spirituelle Nachfolger von „Last Frog Standing“. Es gilt die Kröten von Toadholm zu retten. Beim Sammelmarathon helfen Fähigkeiten wie Zungen-Grapple oder Krötensprung.