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„Mit Wagner ist man nie ganz fertig!“
Kultur

„Mit Wagner ist man nie ganz fertig!“

Thorleifur Örn Arnarssons Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ eröffnet am 25. Juli die Bayreuther Festspiele

Er schätzt die Tiefe und die Komplexität des Wagner’schen Œuvres. Und er liebt seine Musik. Nach „Lohengrin“ in Augsburg, „Siegfried“ in Karlsruhe und „Parsifal“ in Hannover wagt sich der aus Island stammende Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson jetzt an „Tristan und Isolde“ heran. In Bayreuth. Sein Ziel? Sich der Komplexität des Werkes zu öffnen. Das Publikum mitzunehmen auf eine sehr emotionale Reise. Und Plattitüden, Vereinfachungen und allzu naheliegende Bezüge wegzulassen. Das könnte spannend werden.

Bayreuth Magazin 2024 - Thorleifur Örn Arnarssons

Herr Arnarsson, Sie haben in einem Interview zu Ihrem „Parsifal“ in Hannover geäußert, dass die Tiefe und Komplexität des Werkes von Richard Wagner Sie richtiggehend gefesselt haben. Und dass man mit Wagner und „Parsifal“ nie ganz fertig werde. Trifft das auch auf „Tristan“ zu?

Unbedingt, ja! Ich finde, Wagner hat eine ähnliche Gabe wie Shakespeare: Wann immer man meint, die richtige Antwort gefunden zu haben, ihn zu entschlüsseln, entdeckt man einen weiteren Schlüssel, der einem neue Türen öffnet. Das macht diese Reise zu seinem Werk so unfassbar spannend. Einerseits ist Wagner wie eine komplexe mathematische Formel. Was sein Werk aber zur großen Kunst macht, ist der Umstand, dass diese Formel nicht automatisch zu einem bestimmten Resultat führt, das für alle gleich wäre, sondern stattdessen zu einem sehr grundsätzlichen Verständnis von Welt und Mensch.

Und das müssen Sie, der Regisseur auf der Suche nach Schlüsselerlebnissen, dann erst mal auf die Bühne bringen …

Stimmt, oder man macht die Eindrücke dieser Reise selbst zum Thema auf der Bühne. Mir ist es beim „Parsifal“, beim „Ring“ und jetzt wieder beim „Tristan“ so ergangen, dass ich nach der ersten Reise gleich zur zweiten aufbrechen könnte – und vermutlich ganz woanders landen würde. Das ist faszinierend, wie inspirierend dieser Wagner sein kann. Vermutlich muss man sich bei Wagner auf eine solche Reise ins Ungewisse einlassen, weil man ihm ansonsten nicht gerecht wird.

Könnte es auch daran liegen, dass Sie womöglich einen zu komplexen Ansatz suchen, um sein Werk zu entschlüsseln?

Das glaube ich nicht. Aber ich erwarte von mir schon eine große Ernsthaftigkeit, wenn ich mich dieses Komponisten annehme. Wobei mich Komplexität überhaupt nicht nervös macht. Ich finde vielmehr, dass Komplexität ein sehr wahrhaftiger und vernünftiger Weg ist, unsere Welt zu verstehen. Die Gefahr liegt eher darin, dass wir alle versuchen, die Dinge mehr und mehr zu vereinfachen, um sie für uns greifbar zu machen. Aber an diesem Punkt darf Kunst nicht mitgehen. Weil das weder dem „Parsifal“ noch dem „Tristan“ gerecht werden würde.

Sie haben mal gesagt, dass Sie Theater sinnlich erlebbar machen wollen. Dass es Ihr Ziel sei, das Publikum mitzureißen, zum Mitdenken zu animieren. Ist das beim „Tristan“ besonders schwer?

Nein, beim „Parsifal“ war es schwer. Weil es da um so viel Philosophisches geht. Beim „Tristan“ hingegen hat man es mit unendlich viel Emotion zu tun. Und ich glaube, dass es einem da nicht hilft, eine Angst vor Bildern oder zu viel Pathos (im positiven Sinne) zu entwickeln. Ja, ich will, dass Menschen mitgerissen werden – und das will ich nicht mit irgendwelchen draufgepackten Regiekonzepten erreichen. Natürlich muss man als Regisseur einen konzeptionellen Rahmen haben, aber es geht vor allem darum, dass wir uns, obwohl in einer ganz anderen Welt und Zeit, wiedererkennen können müssen. Dabei hilft uns die Mythologie. Weil sie uns Lehrgeschichten liefern kann, die wir im Hier und Heute für uns verwenden können. Genau deshalb hat Wagner auch dieses große Interesse an mythischen Stoffen entwickelt. Weil es sich um Folien handelt, die man über die eigene Zeit oder, insbesondere beim „Tristan“, über unsere eigenen Emotionen legen kann. Um „Tristan“ erleben und ertragen zu können, reicht der Kopf alleine nicht aus, sondern da braucht es auch das Herz. Es ist unfassbar, wie brutal und teilweise auch narzisstisch und feige Wagner seinen Tristan erscheinen lässt in seinem dramatischen Kampf um Liebe und Tod.

Das gesamte Interview lesen Sie in der Printausgabe ab Seite 12 oder in der Online-Blätterversion HIER

ZUR PERSON

Der in Island geborene Opern- und Theaterregisseur Thorleifur Örn Arnarsson (46) hat an der Kunstakademie Islands Schauspiel und an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin Regie studiert. In der Spielzeit 2014/15 wurde er als leitender Regisseur für Oper und Schauspiel am Hessischen Staatstheater Wiesbaden engagiert, in der Spielzeit 2019/20 wurde er Schauspieldirektor an der Volksbühne Berlin. 2018 wurde Arnarsson für sein Schauspiel „Die Edda“ am Staatsschauspiel Hannover mit dem Deutschen Theaterpreis „Der Faust“ ausgezeichnet.