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Komische Oper,Lachen erlaubt
Kultur & Freizeit

Komische Oper,Lachen erlaubt

Matthias Davids gilt als einer der erfolgreichsten und kreativsten Musical-Regisseure der Gegenwart. Er studierte Germanistik, Musikwissenschaft und Sprecherziehung, war als Hornist in mehreren Sinfonieorchestern aktiv und arbeitete später auch als Sänger, Tänzer und Schauspieler. Inzwischen hat er bei weit über 100 Musicals, Opern und Operetten Regie geführt – unter anderem auch beim Schalke-Musical „nullvier“. Seit Dezember 2012 ist Davids Künstlerischer Leiter der Musical-Sparte am Landestheater Linz. Für seine Arbeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Österreichischen Musiktheaterpreis (2015 und 2019) sowie mit insgesamt sechs Deutschen Musical Theater Preisen. Eine Auseinandersetzung mit Richard Wagners Werk fehlte bislang – doch das ändert sich nun. Am 25. Juli 2025, sechs Tage nach seinem 63. Geburtstag, feiert Davids eine bemerkenswerte Doppelpremiere: Zum ersten Mal inszeniert er ein Werk Wagners – und eröffnet mit seiner Neuinszenierung der Meistersinger die 113. Bayreuther Festspiele. Damit gibt er zugleich sein Bayreuth-Debüt. Wie er sich dabei fühlt, erzählt er im Gespräch mit Gert Dieter Meier.

Herr Davids, wenn ich richtig informiert bin, haben Sie bislang hauptsächlich Musicals inszeniert – Wagner dagegen noch nie. Freuen Sie sich auf diese doppelte Herausforderung?

Absolut! Ich feiere nicht nur mein Bayreuth-Debüt, sondern zugleich mein Wagner-Debüt – und ich freue mich riesig darauf. Die Meistersinger sind ein Werk, das mir liegt, weil ich gerne mit humorvollen Stoffen arbeite. Natürlich ist diese Oper eine große Herausforderung – allein schon wegen ihrer Länge und Komplexität, aber auch wegen der besonderen Erwartungshaltung, die in Bayreuth mit jeder Neuinszenierung einhergeht. Trotzdem bin ich sehr unbefangen an die Arbeit gegangen – und habe mich früh gefragt: Was bietet mir dieser Wagner? Und was will er mit dem Werk erzählen?

Er bietet offenbar auch reichlich Komik. Ihr Bühnenbildner Andrew D. Edwards – mit dem Sie bereits bei der Musical-Komödie Something Rotten! zusammengearbeitet haben – erzählte, bei den Proben sei viel gelacht worden.

Das kann ich nur bestätigen. Ich finde diese Mischung aus Lachen, Entspannung und Anspannung sehr gesund – gerade dann, wenn man sich ernsthaft mit einem Werk auseinandersetzt.

Ihr Dramaturg Christoph Wagner-Trenkwitz beschreibt die Meistersinger als Wagners „diesseitigstes“ Werk – und als heiteres Gegengewicht zu Tannhäuser und Tristan. Er sagt: „Das Stück präsentiert sich über weite Strecken als (orchestral hochgerüstetes) musikalisches Lustspiel; dass wir es hier ebenso mit Intrige, Brutalität, Gemeinheit, mit tiefempfundener Liebe und schmerzvoller Resignation zu tun haben, widerspricht weder den Gesetzen der Komödie noch dem Humor Richard Wagners.“ Wie nähern Sie sich diesem Werk in Ihrer Deutung?

Ganz ehrlich: Für mich stehen die Menschen im Mittelpunkt. Natürlich habe ich mich mit der Rezeptionsgeschichte des Werks befasst – aber entscheidend ist, was mir das Stück heute erzählt, was die Figuren ausmacht, wie Wagner ihre Verhaltensweisen beschreibt. Die Meistersinger wurden oft sehr ernst, düster, bedeutungsschwer inszeniert – das kann man so machen. Aber ich lese im Text und in den Regieanweisungen Wagners ganz deutlich eine humorvolle Grundierung. Deshalb habe ich mich entschieden, das Werk so weit wie möglich entlang des Originals zu erzählen – als gut konstruierte, menschlich nachvollziehbare Geschichte, die auch heute noch viel zu sagen hat. Modern heißt für mich dabei nicht, dass alle mit Handys oder Laptops auf der Bühne herumlaufen.

Aber drängt sich angesichts der aktuellen Weltlage – mit Krieg, Krisen, Populismus – nicht ein Appell auf? Wollten Sie nie einen „Trump“ auf die Bühne schicken und als Regisseur ein politisches Statement setzen?

Nein, diesen Impuls hatte ich nie. Ich möchte eine Geschichte erzählen, die auch in zehn Jahren noch funktioniert. Eine Trump-Figur auf die Bühne zu stellen, wäre für mich nicht wirklich politisch – sondern plakativ. Und wer weiß, ob dieser Mann in ein paar Jahren überhaupt noch relevant ist. Es ergibt für mich keinen Sinn, alle aktuellen Katastrophen auf eine Meistersinger-Inszenierung zu projizieren – die Realität überholt jede Opernhandlung. Ich glaube auch nicht, dass das Publikum das erwartet, wenn es nach Bayreuth kommt. Mich interessieren die Figuren, ihre Beziehungen, ihre Konflikte. Ich finde es spannender, diese Geschichten klug und unterhaltsam zu erzählen – etwa am Beispiel von Eva zu fragen: Warum lässt sie sich eigentlich so leicht „anbieten“ oder „vergeben“?

Sehen Sie die Meistersinger als reine Komödie?

Nein, so pauschal würde ich das nicht sagen. Ich frage mich vielmehr: Wie viel Komödie steckt darin? Man kann ein vierstündiges Werk nicht als durchgehenden Witz inszenieren – so lange trägt kein Gag. Aber ich finde es reizvoll, den feinen, bisweilen gut versteckten Humor herauszuarbeiten, den Wagner eingebaut hat – ohne die Figuren zu karikieren. Denn es geht natürlich auch um ernste Themen. Aber ja: Das Publikum darf lachen – und das soll es sogar. Ich glaube, Wagner wollte mit den Meistersingern endlich einen Blockbuster schreiben. Und als Regisseur kann ich dem Publikum vermitteln: Entspannt euch. Hört genau hin, schaut genau hin – und nehmt mit, was euch dieses Stück heute noch sagt.

An wen denken Sie eigentlich, wenn Sie hier inszenieren – an die eingefleischten Wagnerianer oder eher an zufällige Besucher?

Ich denke nicht zuerst an diejenigen, die das Libretto ohnehin auswendig kennen. Ich möchte, dass jeder etwas mit meiner Inszenierung anfangen kann. Das ist schon schwierig genug – gerade bei Wagner, dessen Sprache nicht immer leicht zugänglich ist. Und in Bayreuth gibt es keine Übertitel, die das Verständnis erleichtern.

Welche Figurenkonstellationen reizen Sie besonders an diesem Werk?

Spannend finde ich zum einen die Beziehung zwischen Eva und Walther – die Frage, aus welchen Welten sie kommen, wie selbstbestimmt Eva wirklich agiert. Und dann natürlich das Verhältnis Beckmesser–Sachs: Ist Beckmesser wirklich nur eine komische Figur? Oder begegnen sich da nicht zwei kluge, gebildete Männer, die Freude daran haben, sich gegenseitig herauszufordern?

Wie gehen Sie an eine Neuinszenierung heran? Lesen Sie zuerst oder hören Sie die Musik?

Ich lese immer zuerst den Text – und dann höre ich die Musik.

Hat sich Ihr Blick auf die Meistersinger während der Probenarbeit verändert?

Ja – ich habe gemerkt, dass noch viel mehr Humor im Stück steckt, als ich zunächst gedacht hätte. Vor allem der sprachliche Witz, die Wortschöpfungen wie die „Ärgernuss“, die Wagner eingeführt hat, damit sich etwas reimt – das ist einfach wunderbar.

Nach den ersten Proben – haben Sie das Gefühl, an einem besonderen, fast mythischen Ort zu arbeiten?

Ja, absolut! In den ersten zwei Wochen saß ich bei den Beleuchtungsproben ständig im Dunkeln – und hörte knarrende Dielen und mysteriöse Geräusche. Wenn man sich dann vorstellt, wer alles hier schon über diese Bühne gegangen ist … Und wenn man durch den berühmten langen Gang von der Bühne zur Kantine geht, vorbei an den Porträts der jungen Dirigenten früherer Jahrzehnte – dann spürt man, wie viel Geschichte in diesem Haus steckt.

Manches daran wirkt bisweilen auch unzeitgemäß …

Ja, manches ist wohl der Tradition geschuldet, vielleicht auch unnötig unzeitgemäß. Aber unterm Strich spürt man einen ganz besonderen, mitreißenden Geist.