Interview
Herr Sharon, Sie sind der erste US-Amerikaner, der bei den Festspielen Regie führt. Ist das eine Belastung oder ein
zusätzlicher Kick?
Ich gestehe, ich war auch überrascht war, als ich gelesen habe, dass ich der erste Amerikaner bin, der bei den Festspielen Regie führt. Das habe ich tatsächlich aus der Zeitung erfahren. Aber damals war ich schon ein Jahr am Arbeiten, also fast schon im Tunnel. Natürlich gibt es hier Druck: die Geschichte des Hauses, die künstlerische Herausforderung, die Erwartungshaltung des Publikums. Ich habe mir jedoch immer gesagt: Der erste amerikanische, der zweite jüdische Regisseur – das alles ist nicht wichtig. Wichtig sind nur die Arbeit und die Konzentration auf das Werk.
Wie früh hat sich Ihre künstlerische Begabung gezeigt – sind Sie in einem musikalisch geprägten Elternhaus aufgewachsen?
Überhaupt nicht! Mein Vater hat mich aber gezwungen, Klavier zu lernen. Ich mochte es zunächst nicht. Aber ich habe zwölf Jahre lang Klavierunterricht bekommen – und kann deshalb Partituren lesen. Meinem Vater habe ich auch den ersten Opernbesuch mit 12 Jahren zu verdanken. Ich fand es langweilig. Aber er ließ nicht locker und weckte so meine Leidenschaft für Theater und Oper.
Ihr musikalisches Interessengebiet reicht von Monteverdi bis zur Moderne. Und dazwischen Wagner. Warum Wagner?
Wagner war meine erste Liebe in der Opernwelt. In seinem Werk steckt so unglaublich viel (noch unentdeckte) Sprengkraft und Unberechenbarkeit! Gerade die dunkle Seite bei Wagner hat einen besonderen Reiz.
Ihre Eltern kommen aus Israel, Sie selbst sind Jude. In Israel darf Wagner noch immer nicht öffentlich aufgeführt werden. Auch, weil Wagners Musik von den Nationalsozialisten vereinnahmt wurde. Wie groß ist Ihre Anspannung bei der künstlerischen Auseinandersetzung mit diesem Komponisten? Wie politisch ist das Thema?
Natürlich hat das auch einen politischen Aspekt. Dieses Thema kann man nicht so einfach abschließen. Aber ich finde, dass die Deutschen und auch die Bayreuther Festspiele mit dem Thema Nationalsozialismus sehr verantwortungsvoll umgegangen sind und es noch immer tun. Deshalb habe ich mich hier immer wohlgefühlt und muss diesen Aspekt nicht auf die Bühne bringen.
Werner Herzog hat seinen „Lohengrin“ als wunderbares Märchen erzählt, Hans Neuenfels die Geschichte kurzerhand ins Rattenlabor verlegt. Was ist Ihr Ansatz?
Auf das Märchenhafte darf man im „Lohengrin“ nicht verzichten. Der erste Akt ist ein Märchen. Aber damit endet die Geschichte ja nicht. Da geht es erst richtig los. Das Märchen entwickelt sich in der realen Welt zum Albtraum, zur Tragödie. Diese Fallhöhe macht das Stück so spannend.
Normalerweise liegt bei einer Inszenierung zuerst das Regiekonzept auf dem Tisch und dann wird der Bühnenbildner kreativ. Bei Ihrem Debüt ist das anders. Da waren zuerst die Bilder von Neo Rauch und Rosa Loy da, die ursprünglich mit dem lettischen Regisseur Alvis Hermanis zusammenarbeiten sollten. Nach dessen Absage blieben Neo Rauchs und Rosa Loys Bühnenbild und Kostüme – und Sie mussten dann Ihr Regiekonzept in diese Bilder betten. Wie schwierig war das?
Neo Rauch und Rosa Loy haben ästhetisch viel vorgelegt. Ihre Bilder haben eine besondere Kraft, ja: einen Zauber. Und boten mir sehr viele Möglichkeiten für meine Arbeit. Aber es stimmt: Es brauchte einen alternativen Arbeitsmodus. Was daraus wurde? Ich finde ein sehr besonderer, kreativer Austausch – übrigens auch mit dem Dirigenten Christian Thielemann. Wichtig war mir und uns, dass alles aus einem Guss ist. Und die besten Ideen Umsetzung finden. Ob uns das gelungen ist, muss nun das Publikum entscheiden.
Zur Person
Yuval Sharon wurde 1979 in Naperville nahe Chicago geboren; seine Eltern stammen aus Israel. Nach dem Studium der Englischen Literaturwissenschaft mit dem Nebenfach Dramaturgie arbeitete Sharon als Regieassistent an der Deutschen Oper Berlin („Saint François d’Assise“), bei den Bregenzer Festspielen („Aida“) und in Los Angeles (bei Achim Freyers „Ring“). Sein Regiedebüt folgte 2003 mit der „Orestie“ beim Ensemble Theater Faction. Seine erste Wagner-Regie war die „Walküre“ in Karlsruhe. In Los Angeles leitet Yuval Sharon das freie experimentelle Theaterprojekt „The Industry“, das alle zwei Jahre eine Uraufführung auf die Bühne bringt. Sharon: „Ich bin glücklich, dass ich mich in meiner Arbeit um Innovation und Tradition kümmern kann. Ich will zeigen, dass es immer diese beiden Pole braucht, um voranzukommen.“
Die „Lohengrin“-Besetzung:
Musikalische Leitung Christian Thielemann |
Inszenierung Yuval Sharon | Bühne und Kostüme
Neo Rauch und Rosa Loy | Licht Reinhard Traub |
König Heinrich Georg Zeppenfeld | Lohengrin Piotr Beczala | Elsa von Brabant Anja Harteros | Friedrich von Telramund Tomasz Konieczny | Ortrud Waltraud Meier | Der Heerrufer des Königs Egils Silins |
1. Edler Michael Gniffke | 2. Edler Eric Laporte |
3. Edler Raimund Nolte | 4. Edler Timo Riihonen
Termine Aufführung „Lohengrin“
Premiere Mittwoch, 25. Juli, 16.00 Uhr
Sonntag, 29. Juli | Donnerstag, 2. August
Montag, 6. August | Freitag, 10. August
jeweils um 16.00 Uhr
Gert-Dieter Meier