Im Porträt: Benedikt Stegmayer, Kulturreferent der Stadt Bayreuth
Ende Juli wäre es wieder so weit gewesen. Adel und Hochfinanz, Gesichter und Stimmen, die man aus Funk und Fernsehen kennt, Politiker aus dem In- und Ausland, Opernfans, A-, B- und C-Promis und wirklich wichtige Menschen, die selten oder nie in den Klatschspalten auftauchen, hätten sich wieder in Bayreuth versammelt. Um des Komponisten Werk im Festspielhaus auf dem Grünen Hügel zu erleben, dem Ort also, den „der Meister“ selbst für seine Musik geschaffen hat. Bayreuth ist „The Place to be“, der Ort also, an dem man Wagner authentisch, anders, vielleicht auch besser als in vielen anderen Opernhäusern der Welt erleben kann.
Kultur spielt, das ist eine Binse, in Bayreuth eine herausragende Rolle. Und deshalb wird natürlich auch dem Kulturreferenten der Stadt eine besondere Aufmerksamkeit zuteil. Auch wenn, formal betrachtet, die Festspiele nicht in dessen Zuständigkeit fallen. Aber er kümmert sich um alles andere. Um eine Fülle von Museen, um Jugend- und Alternativkultur, um das neue Festival Bayreuth Baroque, das am 3. September Premiere feiern wird, um Kulturorte und -macher. Und um das größte Kultur- und Bauvorhaben, das „Friedrichsforum“, das 2023 an den Start gehen soll. Die Sanierung der früheren Stadthalle zum zentralen Kultur- und Veranstaltungszentrum kostet nach jüngsten Berechnungen über 85 Millionen Euro. Und schon angesichts dieser schwindelerregend hohen Summe erwarten natürlich die Bürgerinnen und Bürger der Stadt auch ein großartiges Programm. Dafür und für vieles mehr ist Benedikt Stegmayer verantwortlich, der seit 1. Mai 2019 Kulturreferent der Stadt ist.
Eigentlich wollte sich Stegmayer längst einen kompletten Überblick über das Bayreuther Kulturjahr verschafft haben. Aber dann kam Corona – und legte weite Teile des Kulturlebens lahm. Gleichwohl wird das Bild, das sich der umtriebige Bayreuther Kultur-Chef durch viele Gespräche, Besuche und eigenes Erleben über die Bayreuther Kulturszene gemacht hat, immer runder, kompletter. „Wir haben in Bayreuth eine sehr intensive Kulturzeit zwischen Mai und Oktober. In dieser verlängerten Sommerzeit ist unglaublich viel los in Bayreuth, da gibt es neben den Festspielen sehr viele kulturelle Highlights. Das sollten wir viel stärker nach außen tragen und das eine oder andere Angebot sogar noch ausbauen.“ Dafür gebe es in der „normalen Saison“, also zwischen Oktober bis April/Mai, durchaus noch gewisse Lücken. „Ich hoffe“, sagt Stegmayer, „dass wir diese Unwucht durch die neuen Angebote des Friedrichsforums ausgleichen können.“ Daneben könne Bayreuth ein „ganzjährig spannendes Angebot in seinen vielen Museen“ vorweisen. Wobei die Mehrzahl der Bürger die Museen selten öfter als einmal pro Jahr besuchen dürfte, befürchtet Stegmayer.
Was ihn in Bayreuth besonders beeindruckt habe?
Stegmayer will eigentlich nichts herausheben. Am Ende aber gesteht er doch: „Wenn man im Markgräflichen Opernhaus steht, bekommt man Gänsehaut! So ein Gebäude in der Stadt zu haben, das hat mich sehr beeindruckt. Da will man gleich was machen mit diesem besonderen Raum“, sagt der 38-Jährige – und seine Augen funkeln. Das hat er dann auch, indem er sich als Möglichmacher und Wegbereiter für die Bayreuther Barockfestspiele ins Zeug gelegt hat. Wenn Corona mitspielt, hebt sich der Vorhang erstmals am 3. September (siehe dazu die gesonderten Berichte im aktuellen Bayreuth Magazin). Stegmayer gibt sich optimistisch: „Ich hoffe, dass wir da etwas aufbauen können, was der Stadt langfristig und nachhaltig guttut.“ Dabei versteht Stegmayer das neue Festival keinesfalls als Konkurrenz zu den Bayreuther Festspielen, die als „großes Zugpferd dieser Stadt“ eine herausgehobene Stellung einnähmen und ein „weltweites Highlight“ darstellten. Sein Wunsch ist es vielmehr, Bayreuth durch das neue Barockfestival noch stärker als bisher als herausragende Festspielstadt zu etablieren – auch außerhalb der Spielzeit am Grünen Hügel.
Stegmayer, der unter anderem in Cambridge und Paris Philosophie, Literatur, Geschichte und Kunstgeschichte studiert hat und von 2008 bis 2011 als geschäftsführender Gesellschafter des Verlags für zeitgenössische Kunst und Theorie sowie von 2011 bis 2015 als Beauftragter für Bildende Kunst in Mannheim tätig war und von 2015 bis 2019 das Kulturamt der Stadt Esslingen geleitet hat, ist längst in Bayreuth angekommen: „Ich bin hier mit offenen Armen empfangen worden. Und war beeindruckt von der Freude und dem positiven Geist, dem ich begegnet bin. Das ist außergewöhnlich. Es gibt hier eine ganz große Offenheit der Kulturschaffenden – auf allen Ebenen ist ein großes Interesse an einer guten Zusammenarbeit mit der Stadt spürbar.“ Allerdings war Stegmayer, der auch für den Bereich Tourismus zuständig ist, auch selbst überaus aktiv, indem er unendlich viele Gespräche mit Macherinnen und Machern führte und Veranstaltungen besuchte. Und, das hört sich banal an, einfach hin- und zuhörte, was die Kunstszene umtreibt. Er war im Zentrum, er war im Reichshof, in der Studiobühne, in der Zamirhalle und, und, und. Und freut sich über viele spannende Orte der Kultur.
Eines der ersten konkreten Projekte, die der neue Kulturreferent auf dem Zettel hatte, war und ist der „Runde Tisch Kultur“, mit dem Stegmayer Synergien nutzen, Terminkollisionen vermeiden, vor allem aber die Akteure vernetzen will, die ansonsten nicht unbedingt häufig ins Gespräch gekommen sind. „Da sind wir schon gut vorangekommen. Und haben viel wertvolles Feedback bekommen, wie man das vielfältige Angebot in dieser Stadt noch besser wahrnehmbar machen kann.“ Dann aber kam Corona … Aber es wird definitiv weitergehen. Wann auch immer.
Einen großen Stellenwert in der Arbeit Stegmayers nimmt die inhaltliche Konzeption des Friedrichsforums ein: „Ich sehe da eine einmalige Chance, die verschiedenen Anbieter auch und gerade der alternativen und nichtkommerziellen Angebote – ich denke da beispielsweise an die Schoko, das Glashaus oder auch das Kunst- und Kulturhaus Neuneinhalb – besser zu vernetzen und ihren Projekten eine größere Plattform zu bieten“, sagt Stegmayer. Und dann träumt er noch davon, den Geißmarkt am Friedrichsforum für Open-Air-Kinoveranstaltungen zu nutzen. Kultur als soziales Erlebnis, das treibt ihn an. Und der Gedanke, jetzt nicht einen Ort allein für Hochkultur zu schaffen, im Gegenteil: „Das Friedrichsforum muss die komplette kulturelle Grundversorgung abdecken. Das beginnt beim Kabarett und geht bis Comedy, das beinhaltet Volksmusik, Weltmusik, Populärmusik und natürlich die klassische Musik. Und da soll Platz sein für Subkultur und Jugendkultur. Aber natürlich wird auch Theater hier eine große Bühne finden. Das Friedrichsforum muss mit geplant über 300 Veranstaltungen jährlich ein Angebot für alle Zielgruppen machen, nicht nur für Interessenten aus dem Bereich Hochkultur.“
Stegmayers inniges Verhältnis zur Kultur wurde ihm quasi in die Wiege gelegt. Der Vater ist Bildhauer und Videokünstler, die Mutter eine Kunsthistorikerin, eine Tante spielt an der Oper in Augsburg Harfe. Im Hause Stegmayer gingen daher Künstler ein und aus, „durchaus auch radikale Künstler“, wie er sagt, um beim folgenden Satz vielsagend zu schmunzeln: „Ich habe es leider nicht geschafft, mich gegen diese Prägung aufzulehnen und etwas komplett anderes zu machen.“ Die Arbeit und der Austausch mit lokalen Akteuren der Kulturszene hat Stegmayer, den die Stuttgarter Zeitung mal als „undogmatischen Mannschaftsspieler“ bezeichnet hat, also schon lange beschäftigt, besonders intensiv in Mannheim und Esslingen. Und das hat ihn auch für die Arbeit in Bayreuth geprägt: „Ohne das Gespräch mit den Machern wird man die Szene vor Ort nicht wirklich verstehen, glaubt Stegmayer, der längst auch in Bayreuth heimisch geworden ist. Die beiden Welten – hier die freien Künstler, da die Politik – zusammenzubringen, das stellt für ihn kein Problem dar: „Bei uns geht es darum, Dinge zu ermöglichen. Die Künstler wollen ästhetische Erlebnisse erschaffen und das Publikum erreichen. Das geht wunderbar zusammen“, sagt Stegmayer, der sich selbst als (Kunst-)Genusssüchtigen sieht. Was ihn besonders fasziniert? „Die bildende Kunst, die italienische Kunst des Mittelalters und die Renaissance – das ist, salopp gesagt, der Italienurlaub, verbunden mit der Erkenntnis, dass unsere kulturelle Herkunft davon in großem Maße geprägt ist. Das zu erleben, zu sehen und zu verstehen, berührt mich sehr stark. Das Zweite wäre die moderne Kunst ab dem frühen 20. Jahrhundert bis zur zeitgenössischen Kunst.“
Und beim Thema Musik?
Da outet sich Stegmayer frank und frei: „Da bin ich, im Gegensatz zur bildenden Kunst, nicht der Experte, sondern der euphorische Dilettant. Was insofern ganz angenehm ist, als ich Musik ganz anders wahrnehmen kann“, sagt Stegmayer, der in seiner Jugend Schlagzeug und Klavier gespielt hat. Er mag Barockmusik sehr gerne, sieht sie fast als „frühe Art der Popmusik“ an, kann sich die Musik Bachs „stundenlang anhören“, goutiert Wagner und auch neue Musik („sofern ich sie live erlebe“) und liebt, natürlich, auch Jazz und Rockmusik. Die „Helden“ seiner Jugend? Die Red Hot Chili Peppers, Pearl Jam und natürlich Jimi Hendrix. Des Kulturreferenten musikalischer Merksatz: „Vielfalt tut jedem gut. Jeder Mensch braucht diese Vielfalt. Und jeder hat auch das Recht auf einen gewissen Trash. Und damit waren die 80er- und 90er-Jahre durchaus gesegnet“, scherzt Stegmayer.
Ein Jahr in Bayreuth – seine persönliche Bilanz?
„Ich bin sehr glücklich hier und fühle mich überaus wohl. Bayreuth ist, zusammen mit dem Umland, eine Stadt mit hoher Lebensqualität. Hier lebt es sich gut, man ist schnell in der Natur und hat gleichzeitig das breit gefächerte Angebot eines Oberzentrums – sportlich, kulturell oder auch kulinarisch. Meine Frau und ich leben sehr gerne hier“, sagt der Vater zweier Kinder, „auch weil Bayreuth ein guter Ort für Kinder ist, um aufzuwachsen.“
Zur Person
Benedikt Stegmayer ist seit 1. Mai 2019 Kultur- und Tourismusreferent der Stadt Bayreuth. Der gebürtige Rosenheimer studierte an den Universitäten Tübingen, Cambridge, Paris und Berlin Philosophie, Komparatistik, Geschichte und Kunstgeschichte. Er wirkte bereits als Beauftragter für Bildende Kunst in Mannheim und als Leiter des Kulturamtes der Stadt Esslingen am Neckar.
Von Gert-Dieter Meier
Foto: Lena Remmert (GMK)