Mit Spannung erwartet – Meistersinger 2017
Kaum zu glauben, aber wahr: Erstmals seit 1956 werden in diesem Jahr auf der Bayreuther Festspielbühne die „Meistersinger“ von einem Regisseur in Szene gesetzt, der nicht den Namen Wagner trägt.
Nachdem Wieland Wagner und sein Bruder Wolfgang die „Meistersinger“ inszeniert hatten, zog 2007 Wolfgang Wagners Tochter Katharina in ihrer ersten Regiearbeit das Werk grundlegend neu auf – und entrümpelte es radikal. Sie gab, wie die FAZ es formulierte, die „unangepasste Revoluzzerin“. Nun darf – nach mehr als 60 Jahren – erstmals einer ans Regiepult, der nicht den Namen Wagner trägt. Es ist Barrie Kosky. Der 50-jährige Australier ist seit der Spielzeit 2012/13 Intendant und Chefregisseur der Komischen Oper Berlin und hat, wie er unlängst der „Welt am Sonntag“ mit Blick auf seine Arbeit in Bayreuth verraten hat, „keinen Grund, sich über irgendetwas zu beschweren“. Er diskutiere offen und intensiv mit Festspiel- Chefin Katharina Wagner, die er „momentan nur loben“ könne: „Sie hat mir mehr Probenzeit, mehr Geld für die zugegeben aufwendigen Kostüme und eine fantastische Besetzung gegeben – das kann auf der ganzen Welt nicht besser gesungen werden.“ Kosky selbst sieht sich auf dem Grünen Hügel, wie er beteuert, übrigens als „Außenseiter mit einem fremden Blick“, was er als „fantastischen Vorteil“ sieht. Man könne hier auf Praktiker und Experten zurückgreifen, keiner habe Angst vor seinen Aufgaben, alle seien begeistert von einer neuen Sichtweise auf ein ihnen vertrautes Stück. Zunächst aber hatte Kosky selbst offenbar Zweifel, was die Arbeit in Bayreuth betrifft – laut der „Süddeutschen Zeitung“. „Ich habe acht Mal in meinem Leben Wagner inszeniert, ich bin fertig mit dem Mann. Und dann soll ich als australischer Jude in Bayreuth das problematischste aller Wagner-Stücke machen – nein! Aber inzwischen traue ich mir das zu, und ich habe eine Idee, die zwar kritisch ist, aber auch neu.“ Man darf also gespannt sein …
Gert-Dieter Meier
Barrie Kosky auf die Frage von Manuel Brug (Welt am Sonntag), was Bayreuth ausstrahle: „Ich habe von Anfang an versucht, diese Pseudo- Magie zu zerstören. Ich möchte nur Tacheles machen, das ist ein Theater, und ich verrichte hier meine Arbeit. Punkt. Wahrscheinlich sogar unter bestmöglichen Bedingungen. Wobei ich natürlich in den drei Jahren regelmäßiger Besuche gemerkt habe: Man muss darauf vorbereitet sein. Bayreuth ist die deutsche Kaaba, das ist Mekka. Das meine ich ohne Ironie. Die Menschen gehen dahin, um gereinigt zu sein, von dieser wunderbaren, großen Kunst. Das freilich interessiert mich nicht. Trotzdem bin ich schon diesem Theater, diesem Zuschauerraum verfallen. Man sitzt da ohne Klimaanlage, auf sadistischen Holzstühlen, in seltsamer Beleuchtung. Es hat einen Zauber, man atmet eine besondere Luft. Aber wenn es angefangen hat, dann vergesse ich das alles. Und versuche gerade als Nichtdeutscher, es als ein Theater wie die Opernhäuser in London oder München zu behandeln.“